Eine Saison mit Fragezeichen




Nach der der enttäuschenden Nichtqualifikation für die Playoffs und der erfolgreichen Pflichterfüllung Ligaerhalt, ist die Saison 2017/18 für die SCL Tigers beendet. Zeit also, die Saison aus Sicht eines langjährigen Matchbesuchers zu betrachten und einige Fragezeichen aufzuzeigen.


Die Rangierung in der Saison 2017/18 war für die SCL Tigers faktisch in den Top 4 seit Einführung der Playoffs. Die Langnauer Tiger verpassten nur ganz knapp die Playoffs und hatten bis 2 Runden vor Schluss eine echte Chance, das Wunder zu schaffen. Trotz der Enttäuschung haben die Tigers den Ligaerhalt souverän geschafft. Doch die Euphorie hielt sich in Grenzen, dies ist in einem emotionalen Umfeld wie in Langnau doch sehr erstaunlich. 

"Die Erwartungshaltung der Fans ist gestiegen, deshalb kommt nur wenig Euphorie auf." Diese Aussage hört/ liest man viel von den Verantwortlichen der SCL Tigers. Diese Saison war in der Tat irgendwie eigenartig, nachfolgend einige Fragezeichen, welche mir aufgefallen sind:

1. Wenig Euphorie und Emotionen?

Vor 9 Jahren war Langnau in einer sehr ähnlichen Situation, die Euphorie und entsprechenden Emotionen waren aber damals um Welten höher. Die Atmosphäre war damals elektrisierend, obwohl es am Ende auch nicht reichte, sind diese Spiele noch in meinen Erinnerungen. Vor allem das Comeback von Rockstar Todd Elik war der Hammer. Vergleicht man die Mannschaft und Spielweise von damals mit der Aktuellen, waren viel mehr Emotionen und Leidenschaft im Spiel des Tigers.

Um zurück zur aktuellen Saison zu kommen, die Tiger haben auch sportlich mehr richtig als falsch gemacht. Doch sie konnten bei diversen Saisonhöhepunkten ihre Leistung nicht abrufen und ergaben sich emotionslos der Niederlage hin. Symptomatisch waren hier zum Beispiel die beiden Heimderbys gegen den Erzrivalen SCB, ich habe selten solche emotions- und harmlose Derbys erlebt: Keine Checks, kein Stolz, kein Feuer und kaum Energie. Solche emotionslose Weichbecherei in einem Berner Derby beeinflusst die Haltung der Fans mehr als man denkt. Langnau lebt von Emotionen und gerade die Spiele gegen den SCB sind jeweils Initialzündungen für die weitere Gemütslage der Fans. Das Gegenteil ist passiert und die Skepsis für Playoffs war relativ früh weit verbreitet, obwohl die Chancen bis 2 Runden vor Schluss sehr gut waren!

2. Mentale Stärke und Selbstvertrauen?

Die Mannschaft spielte grundsätzlich solid und systemtreu, konnte gegen die Erwartungen sogar Siegesserien durchziehen. Ich stellte fest, wenn alles zusammenpasst und von den Fans nicht zu viel erwartet wurde, blühte der Tiger richtig auf. Durch die sich abzeichnende Nummer 1 im Tor, Ivars Punnenvos (aber auch Damiano Ciaccio) konnten die Tigers viele Siege stehlen und so war man auch Dank den guten Goalies bis am Schluss an den Playoffs dran. Doch sobald Druck und Erwartungen vom Publikum kamen, schien das Team wie gelähmt und konnte das vorhandene Potential zu wenig abrufen. Solche Vorkommnisse stehen sehr viel mit persönlichem Selbstvertrauen und der Denkweise im Zusammenhang. Echte Leader waren sehr wenige vorhanden, vor allem bei den Imports fehlte es an Leadership und Klasse. 

Hier müssen die Tiger grundsätzlich über die Bücher und an ihrer Mentalität arbeiten, um weitere Schritte nach vorne zu machen. Ich denke, wenn 2 bis 3 wirkliche Leader mit entsprechenden Fähigkeiten und Klasse geholt werden können, kann das Innenleben in der Kabine diesbezüglich bereits schon positiv beeinflusst werden.

3. Altersstruktur der ersten Mannschaft?

Im Team hat es aus meiner Sicht zu viele alternde Mitläufer mit mehrjährigen Verträgen, welche jungen Spieler den Platz wegnehmen. Langnau will bekanntlich ein zweites Eisfeld und Trainingscenter für rund 20 Mio. bauen. Um diesbezüglich mehr an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, muss schlichtweg der dringende Schritt kommen, das Team zu verjüngen und so jungen Spielern Perspektiven für einen NLA-Platz endlich zu öffnen. Momentan habe ich eher den Eindruck, dass sich potentielle NLA-Juniors nach anderen Alternativen umsehen müssen, damit sie auch eine echte Chance erhalten. In der ersten Mannschaft wird aus meiner Sicht eine andere Strategie gelebt, als es die Organisation Young Tigers wohl gerne hätte? Das Argument, dass der Schritt von Elite A zu NLA zu gross sei, zählt nicht. 

So zeigte zum Beispiel Rookie Stefan Rüegsegger beachtliche Leistungen, wurde aber aus meiner Sicht viel zu wenig eingesetzt und gegen Ende der Qualifikation in die Swissleague nach Langenthal parkiert. Falls tatsächlich zu wenig Juniors mit Potential vorhanden wären, gibt es noch andere Organisationen mit hungrigen Spieler, welche auf ihre Chance warten. Doch die Einsätze der Young Tigers Weibel, Rüegsegger etc. zeigten deutlich auf, wie viel Leidenschaft und Energie junge Spieler in eine Mannschaft bringen können. Natürlich liegt hier die Verantwortung vor allem auch bei Trainer Ehlers!

4. Die mächtige Position des Sportchefs?

In der Konstellation Langnau hat der Sportchef überdurchschnittlich viele Freiheiten und Kompetenzen. Es scheint fast, dass er sportlich der Alleinherrscher ist und die ganze Sportstrategie von ihm abhängt. 

Nun kommt es zu einem Wechsel, nach 4 erfolgreichen Jahren wechselt Jörg Reber in die Nachwuchsabteilung der SCL Young Tigers. Intern wurde die Arbeit von Sportchef Reber hoch geschätzt, doch im Umfeld wehte ihm zeitweise ein eisiger Wind entgegen. Fairerweise sollten die letzten 4 Jahre (Aufstieg, Sieger im Playoutfinal und 2-mal Platz 9 nach 56 Runden) betrachtet werden. Und nehmen wir die Mitte zwischen den Reber-Kritiker und den begeisterten Verwaltungsräten (Traum-Schwiegersohn-Effekt ;-), kommen wir der Wahrheit wohl am ehesten auf die Spur: Im Gesamtbild war die Arbeit von Jörg Reber gut und zu würdigen! Und er wird als erfolgreicher Sportchef in die Geschichte der SCL Tigers eingehen. Ein Titel, welcher in Langnau in der Vergangenheit selten ein Sportchef erreicht hat.

Der neue Sportchef wird sich einer grossen Herausforderung stellen müssen, deshalb ist den SCL Tigers zu empfehlen, als nächster Schritt eine bewährte und integre Persönlichkeit mit entsprechenden Beziehungsnetz zu verpflichten. Diese Massnahme wird vermutlich etwas Mehrkosten verursachen, doch die Position Sportchef ist in Langnau mit dieser Konstellation noch wichtiger, als jene des Trainers. Ich gehe stark davon aus, dass die Ideen und Visionen des neuen Sportchef, sich mit der Strategie der SCL Tigers und Young Tigers decken werden. 

Darum ist der Tigersportchef auch so exponiert und wird von ca. 5'000 Hobbysportchefs genau beobachtet. Das darf ihn nicht hemmen, sondern muss ihn zu Höchstleistungen anspornen! Denn Kritik ist ein wichtiger Bestandteil in diesem Business, schliesslich geht es auch um Emotionen und Leidenschaft, das sind wichtige Eigenschaften für eine erfolgreiche Zukunft der Langnauer Eishockey-Kultur.

Mänfu