Die Gratwanderung der Tigers




Die SCL Tigers haben sich nach einen erneut dürftigen Saisonstart gefangen und sind dort, wo man sie sportlich erwarten durfte. Das Wunder Playoffs ist möglich, wie auch der Gang in die Ligaqualifikation. Denn alle 6 involvierten Teams stehen bereits heute vor einer mentalen Bewährungsprobe: Zwei Teams werden den Platz an der Sonne ergattern, wieder 2 werden mit einem blauen Auge in der Platzierungsrunde davonkommen, und die beiden Letztplatzierten bestreiten den Schlotter-Final, welcher dem Verlierer in der hochbrisanten Ligaqualifikation eine echt schwierige Herausforderung bescheren könnte.


17 Spiele, 21 Punkte und Platz 9 in der Tabelle, der Strichkampf hat im Emmental definitiv begonnen und genau das wollen wir sehen! Mit Kloten, Genf, Lausanne, Langnau, Ambri und Biel sind 6 Teams, welche in den nächsten Monaten um zwei Plätze an der Sonne, und somit zwischen Playoff-Festlichkeiten und dem Höllenritt Ligaqualifikation wanken. Entscheidend werden dabei die Haltungen, Denkweisen und die mentalen Verfassungen der involvierten Mannschaften inkl. deren Clubführungen sein. Deshalb sind die SCL Tigers gut beraten, trotz Siegesserie auf dem Boden zu bleiben und dabei die Siege wie auch Niederlagen richtig einzuordnen.


Wie stark sind die SCL Tigers wirklich?

Diese Frage können wir vermutlich erst gegen Ende dieser Qualifikation beantworten. Zu viele Gesichter haben uns die Tigers bisher gezeigt und bei vielen wichtigen Faktoren ist noch nicht ersichtlich, wohin die Reise im Frühjahr wirklich geht. Hat die Mannschaft genug Qualität und dazu Leader, welche primär in schwierigen Phasen Verantwortung und Führung übernehmen können? Wie sieht es mit der offensiven Durchschlagskraft aus und wie stark ist das mentale Korsett dieser Mannschaft, um bei den entscheidenden Spielen die Coolness zu bewahren? Das sind nur einige Punkte, welche noch Fragezeichen aufwerfen.

Der Saisonstart war punktemässig katastrophal, nach einer schwachen Leistung und 0-4 in Kloten, welche bereits die 6. Niederlage im 7. Spiel war, wurde die Schraube von Heinz Ehlers nach einem offiziellen Statement in den Medien wieder angezogen. Weshalb der grantige Däne vorher einen auf "der nette Nachbar von nebenan" machte, statt seinem Ruf als Hagu Heinz vom ersten Spiel an gerecht zu werden, bleibt wohl sein Geheimnis. Immerhin und zum Glück spielen die Tigers seither zeitweilen wieder härteres und erfolgreicheres Hockey: Dank den zuletzt sehr starken Leistungen von Punnenovs, viel Disziplin, System, Kampfgeist und dem nötigen Glück, kam es plötzlich zu einer eher unerwarteten Siegesserie.

Benjamin Neukom ist in Langnau angekommen, beweist er sich im Strichkampf als Verstärkung? (Bild:Photopress)
Die Mannschaft wurde für die neue Saison ziemlich verändert, von den Neuzugängen hat vor allem Antti Erkinjuntti überzeugt und die Erwartungen bisher mehr als erfüllt. Andere Neuzugänge wie Samuel Erni, Federico Lardi oder auch Benjamin Neukom zeigten zeitweilen gute Ansätze: Doch ob sie künftig wirklich eine tragende Leader-Rolle in dieser Mannschaft übernehmen können, werden die nächsten Monate aufzeigen. Beim viel kritisierten Kanadier Aaron Gagnon scheiden sich die Geister, bisher hat er für mich zu wenig überzeugt. Dass er der Ersatz für den charismatischen und leidenschaftlichen Leader Chris DiDomenico sein soll, wird kaum der Plan von Sportchef Jörg Reber gewesen sein? Aaron Gagnon ist ein völlig anderer Typus Mensch als DiDo, und auch als Spieler hat er seine Stärken nicht dort, wo bei vielen Fans die Erwartungen an einen Ausländer nun mal sind: Das Volk will nicht nur die Mannschaft als Star, sondern auch ein Star (oder leidenschaftlicher Leader) in der Mannschaft. Diese Tatsache sollte sich die sportliche Führung mal vor Augen führen, wir bewegen uns auch im Emmental in der Unterhaltungsindustrie.

Playoffs, eine Frage der Mentalität? 

Wie tickt die Mentalität der Langnauer in den letzten Jahren? Nicht nur die Fans schweifen zwischen zu viel Bescheidenheit und zu hohem Ross, welche anschliessend in zu viel Niedergeschlagenheit oder dann zu schnell in Genügsamkeit endet. Oder anders ausgedrückt: Bei einer Niederlagenserie neigen wir im Emmental zu plakativem Populismus, welche meistens sehr schnell mit einer Opferung der personifizierten Schuld (zum Beispiel des Trainers) endet. Oder bei Siegesserien träumen viele Fans davon, dass sich die SCL Tigers vom Abstiegskampf für Jahre verabschiedet haben und sich gleich zu einem Mittelfeldclub entwickeln. Man spricht sehr schnell von sportlicher Entwicklung, grossen Fortschritten oder gar neuem Winnerspirit. Offenbar ein temporärer Geist, welcher sich bei einer schlechten Phase sehr schnell wieder aus dem Tal der heulenden Winde verabschiedet. Die Frage ist, wieviel davon überträgt sich auf die Mannschaft?

Die Erwartungen an sich selber oder im Umfeld entsprechen vielfach nicht der Realität, umso grösser sind die Enttäuschungen! Natürlich ist Eishockey ein emotionaler Sport und das ist auch gut so. Trotzdem sollten wir nicht vergessen wer wir sind, woher wir kommen und zu was wir mit gesundem Realismus eigentlich fähig wären. Mit „Himmelhochjauzend“ oder dann halt „zu Tode betrübt“ kommen wir kaum weiter…

Wohin der Weg führt wird auch von der richtigen Selbsteinschätzung und mentalen Stärke abhängen. (Bild: Photopress)
Auf die kommenden Monate bezogen heisst das: Schön haben unsere Tigers eine Siegesserie, freuen wir uns daran. Doch bleiben wir dabei ehrlich mit uns selber, es war neben tollem Kampfgeist und mehr Einsatzbereitschaft, auch viel Glück dabei. Sollten sich die Tigers tatsächlich ernsthaft Richtung grüne Festspiele kämpfen, ist es wichtig auf dem Boden zu bleiben: Denn Fakt ist, die Organisation SCL Tigers ist National im Ranking sportlich zwischen Platz 10 und 12. Daran wird sich so schnell nichts ändern, auch wenn es nach 50 Runden grüne Festspiele gegen den SCB geben sollte.

Das Wichtigste auf einer Gratwanderung ist den Fokus nicht zu verlieren und die Steine auf dem Weg mit den eigenen Stärken zielgerichtet zu überwinden. Zuviel Bescheidenheit ist wie Selbstüberschätzung eine Falle, welche sehr schnell zum Absturz führen kann.

In diesem Sinne: Schön mit beidne Scheiche ufem Bode blibe, Tigere!

Mänfu